PRESSE

Elektrifizierte Südbahn – Meilenstein für die ÖPNV-Offensive in Baden-Württemberg

(Parlamentsrede vom 20.10.2021)

Sehr geehrte Frau Präsidentin , sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Fast auf den Tag genau vor 176 Jahren, am 22. Oktober 1845, fuhr der erste planmäßige Zug der damaligen königlich-württembergischen Staats-Eisenbahn von Bad Cannstatt nach Untertürkheim. Der badische Landesteil war schneller, dort begann die Ära der Eisenbahn bereits 1840. Die Eisenbahn brachte neue Technologien und Fortschritt, und gerade die Südbahn, um die es heute geht, hatte einen prägenden Einfluss, auf Wirtschaft und auch auf das Selbstbewusstsein im Ländle, liegen doch mit Ulm, Biberach, Meckenbeuren und Durlesbach vier der fünf im „auf der schwäbischen Eisenbahne“ genannten Stationen in diesem Abschnitt.

Bereits damals lagen Baden und Württemberg, was Eisenbahn betrifft, auf einer Wellenlänge. Sie überließen es nicht dem freien Markt, für den Eisenbahnbau zu sorgen, und betrieben keine langen Debatten über Technologieoffenheit, sondern haben den Eisenbahnbau staatlich geplant, finanziert und organisiert, eine südwestdeutsche Besonderheit.

Und in wenigen Wochen, am 12. Dezember, passiert die Eisenbahn im „Ländle“ den nächsten Meilenstein. Nach knapp 50 Jahren Diskussionen geht die Elektromobilität auf der Südbahn in den Regelbetrieb. Es ist ein Meilenstein für den Bahnverkehr in Oberschwaben von Friedrichshafen bis Ulm, und eine Grundlage dafür, in den kommenden Jahren weitere wesentliche Verbesserungen umzusetzen. So wie 1845, geschah es nicht von selbst, sondern weil das Land eine aktive Rolle eingenommen hat, und mit Landeszuschuss von mehr als 112 Mio. € für diese originäre Bundesaufgabe den Bau ermöglicht hat. Ohne diese grüne Initiative und die Kofinanzierung wären wir heute nicht kurz vor Inbetriebnahme. Der ausdrückliche Dank geht an den Ministerpräsidenten und den Verkehrsminister, die es ermöglicht haben. Denn es war keineswegs selbstverständlich, dass dieses Projekt gelingt. Als junger Ulmer Stadtrat habe ich vor 16 Jahren die Frage gestellt, wann die Südbahn, die bekanntlich in Ulm beginnt, elektrisch fahren würde. Der damalige OB meinte, er würde es sicherlich nicht mehr erleben, aber ich als jüngerer Mensch vielleicht. Es freut mich, ihn an dieser Stelle zu grüßen, denn obwohl nicht mehr im Amt, erfreut sich Ivo Gönner doch bester Gesundheit.

Die Elektrifizierung ermöglicht einen neuen Fahrplan mit wesentlichen Verbesserungen, am meisten profitiert Erbach mit 10 zusätzlichen Zugpaaren, aber genauso Ravensburg und Friedrichshafen mit jeweils 9, oder die im Lied erwähnten Biberach und Meckenbeuren. Ganz Oberschwaben rückt nun näher an die Landeshauptstadt heran; etwas, was neun Minister und eine Ministerin knapp 50 Jahre lang nur versprechen konnten, ist nun Realität.

Ein wichtiger Meilenstein, aber damit ist es natürlich nicht getan. Die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke und der Ausbau der Bodenseegürtelbahn sind in der Vorbereitung, damit eine leistungsfähige Achse von Ulm über Friedrichshafen und Singen nach Basel entsteht, das Land ist hier mit Hochdruck dran. Leider werden auch diese beiden Anschlussprojekte nicht vom Bund finanziert, so dass wir hier den Umweg über GVFG und Kofinanzierungen des Landes gehen müssen; hoffentlich bedeutet der wohl bald kommende Regierungswechsel im Bund auch höhere Investitionen in die Schiene seitens der eigentlich Zuständigen.

Aber so oder so: seit es ein eigenständiges Verkehrsministerium und einen GRÜNEN Verkehrsminister gibt, stellt sich das Land der alten Tradition der aktiven Eisenbahnpolitik, und stellt die notwendigen Ressourcen bereit.

Das gilt für SPNV- und ÖPNV-Vorhaben wie die Regio-Stadtbahn Neckar-Alb oder die Regio-S-Bahn Donau-Iller, und auch für die Allgäubahn. Denn, für die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Landesteilen zur Info: den Halt Durlesbach gibt es lange nicht mehr, er wurde vor etlichen Jahren aufgegeben, weil die Allgäubahn direkt nach Bad Waldsee führt, und die Entscheidung, ob auch diese Strecke elektrifiziert oder mit innovativen Zugantrieben bedient wird, dürfte bald fallen.

Im kommenden Jahr dürfen wir uns auf die Inbetriebnahme der Strecke Wendlingen-Ulm freuen, mit Merklingen bekommt die Albhochfläche endlich wieder einen Bahnanschluss, und mit dem Umstieg in Wendlingen wird das Pendeln zwischen Ulm, Tübingen und Reutlingen mit der Bahn erstmals wieder attraktiv. Auch diese beiden Halte haben wir der Intervention und der Finanzierung des Landes zu verdanken.

Sich selbst überlassen dürften wir auch nicht den Eisenbahnknoten Stuttgart 2040 – mit ETCS und ATS werden wir in BW technisch neue Maßstäbe setzen, und ich kann nur hoffen, dass der OB Nopper die Bedeutung der Ergänzungsstation erkennt und sie nicht länger zu blockieren sucht.

Aber, meine Damen und Herren, es gilt, eines deutlich zu sagen: es ist im Interesse aller Parteien im Landtag, egal, wer künftig in Berlin regiert, die Verantwortung des Bundes einzufordern. Der Ausbau des Schienennetzes ist eine grundgesetzliche Aufgabe des Bundes, der dieser in den letzten Jahren und Jahrzehnten aber völlig unzureichend nachgekommen ist. Das ist gut zu sehen vor allem am nicht enden wollenden viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn oder am noch nicht einmal begonnenen Ausbau der Gäubahn. Das darf nicht so weitergehen!

Der Status Quo im Schienennetz kann niemanden von uns zufriedenstellen. Wir brauchen mehr und leistungsfähigere Schienen, damit wir tatsächlich bis 2030 die Fahrgastzahlen verdoppeln können. Das Verkehrsministerium ist mit der Elektrifizierungskonzeption in Vorleistung gegangen. Da sind wir bundesweit vorbildlich. Jetzt heißt es, die Maßnahmen Schritt für Schritt so schnell wie möglich zu realisieren. Hier gilt es, vom Bund neben dem Geld auch eine Beschleunigung der Planungsverfahren einzufordern, derzeit dauern diese inakzeptabel lange. Ich erhoffe mir einiges von der Ampelkoalition, und es dürfte sich bezahlt machen, dass das Land vorgearbeitet hat.

Ohne einen funktionierenden Schienenverkehr als Rückgrat des ÖPNV wird es schlicht nicht möglich sein, den Klimaschutzbeitrag im Verkehrssektor zu erbringen. In der Tradition des Aufbaus der Eisenbahnen im Ländle geht die Landesregierung seit über 10 Jahren aktiv voran. Mit dem eigenen Fuhrpark können wir aktiv gestalten, und sind weder der Gewinnorientierung einzelner Betreiber noch der Trägheit von Teilen des DB-Konzerns ausgeliefert.

Die Opposition wird gewiss Gründe finden, die Regierungskoalition und das Verkehrsministerium zu kritisieren, dafür ist sie schließlich da, und ich freue mich auf die kommende Debatte. Aber eines ist nach mehr als 10 Jahren unbestreitbar: Baden-Württemberg hat sich aufgemacht, ein Musterländle für Bus und Bahn zu werden, die Weichen dafür sind nun gestellt, die Oberleitung, die nun Stuttgart, Ulm, Biberach, Meckenbeuren und Durlesbach verbindet, ist ein handfester Beweis dafür!