PRESSE

Holodomor- und Euromaidan-Jahrestag

Auf die BDK23 fiel der Holodomor- und Euromaidan-Jahrestag. Mein Beitrag bei der Ukraine-Demo in Stuttgart:
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist eine große Ehre, heute vor Ihnen zu reden. Der Holodomor ist zwar Thema in etlichen politischen Gremien, aber den meisten in unserer Gesellschaft nach wie vor kein Begriff. Das zu ändern, braucht viel Basisarbeit. Mein Dank gilt daher allen, die unermüdlich am Thema bleiben.
Ich darf Ihnen die Grüße der gesamten GRÜNEN Partei überbringen. Wie Sie vielleicht wissen, haben wir seit vorgestern unseren Bundesparteitag (BDK23) in Karlsruhe. Dort haben GRÜNE bekräftigt, unverrückbar auf der Seite der Ukraine zu stehen, wie wir allen beistehenden, die ihre Unabhängigkeit gegen das Großmachtstreben des Putin-Reichs verteidigen müssen. Parallel zu meinem Auftritt hier spricht Swjatlana Zichanouskaja aus Belarus vor unserem Parteitag. Hier wie dort, wie überall, im Namen aller GRÜNEN: wo immer es gilt, Putin und seine Helferinnen in die Schranken zu weisen, können Sie auf uns zählen. Zurück zu dem tragischen Jahrestag. Holodomor war ein großes, ein enormes Unrecht am ukrainischen Volk. Leider wird schon diese simple Tatsache von etlichen bestritten, entweder aus Unwissenheit oder aus Propaganda-Gründen. Umso mehr will ich hier einige klare Aussagen treffen: Ja, im Ausgang des Holodomors lagen auch zwei Missernten. Aber schlechte Ernten gibt es immer wieder. Gute Politik, die sich um Menschen sorgt, tut das ihr Mögliche, um es zu lindern – die damaligen Machthaber taten das genaue Gegenteil; Ja, auch die USA hatten zur gleichen Zeit eine Phase großer Ernteausfälle. Dust bowl ist der Begriff dafür. Aber eine demokratisch gewählte und am Wohlergehen ihrer Brügerinnen interessierte Regierung, oder, genauer gesagt, etliche Behörden, haben dort dafür gesorgt, dass zwar viele Millionen hungern mussten – aber niemand am Hunger sterben musste, während es in der damaligen ukrainischen Sowjetrepublik ganz, ganz anders war!
Das hat, ich will es betonen, ausdrücklich nichts mit einer bestimmten Nationalität zu tun. Auch Württemberg hat ein Leidenskapital in seiner Geschichte, das sogenannte „Jahr ohne Sommer“ und die zwei folgenden Jahren waren sehr hart. Dass sie nicht zu einer absoluten Katastrophe wurden, ist nicht zuletzt dem Wirken der württembergischen Königin Katharina, Tochter des Zaren Paul, zu verdanken – es ist eine Frage der Menschlichkeit, nicht eines Geburtsorts oder einer bestimmten Muttersprache!
Ja, der Holodomor traf nicht nur die Ukraine, auch andere Teile der Sowjetunion litten, auch Polen litt. Aber gerade die Ukraine hatte freie Bauern auf eigener Scholle als agrarwirtschaftliche Grundstruktur. Ich will diese Lebensweise nicht beweihräuchern, sie hatte nicht nur Vorteile. Den Kommunisten ging es aber nicht um Verbesserung, sondern um Vernichtung dieser Lebensweise! Die Kollektivierung traf die ukrainische Kultur, die ukrainische Gesellschaft als solche, daher ist die Bezeichnung als Völkermord richtig, obwohl längst nicht nur das ukrainische Volk Hunger litt – aber gerade seine Lebensweise sollte zerstört werden, was in vielen Gegenden leider auch geschah.
Ja, die ukrainische Gesellschaft vor dem Holodomor hatte sehr große innere Probleme, und ja, teilweise waren es rückständige Nationalisten – aber solche gibt es überall. Das rechtfertigt nirgends, ich betone, nirgends, dass die Behörden, statt die Not zu bekämpfen, diese durch Export von Nahrung selber verschärfen oder gar erst schaffen. Der primäre Zweck eines jeden Staates ist es, für seine Bürger*innen da zu sein!
Ja, die Täter des Holodomors waren teilweise selber in der Ukraine geboren, und ja, der oberste Täter Stalin war alles andere als ein gebürtiger Russe. Aber Tatsache ist doch, dass sich gerade diese Menschen nicht als Russen, Georgier, Ukrainer, Armenier oder wer auch immer sahen, sondern als Kommunisten! Sie wollten einen neuen Menschen erschaffen, und waren bereit, beliebig viele bereits lebende Menschen dafür zu opfern. Das ist deren Verbrechen – und das darf nicht vergessen werden.
Meine Damen und Herren,
was wir derzeit erleben, ist ein Angriff auf die Werte der Menschlichkeit. In der Ukraine, aber zuletzt auch in Israel. Umso wichtiger ist es, die simple Botschaft weiter zu tragen: in dem Moment, wo eine Ideologie den Menschen das Mensch Sein abspricht, so wie die Kommunisten den Ukrainern und anderen; oder wie die Hamas allen, die in Israel und im Westen leben, müssen diejenigen, die hinter dieser Ideologie stehen, bekämpft werden. Idealerweise, bevor sie an Waffen kommen mit friedlichen Mitteln. Solange, bis sie nichts mehr zu sagen haben. Punkt!
Danke für Ihren so wichtigen Einsatz in dieser Sache!
Meine Damen und Herren, heute ist nicht nur ein Jahrestag der Not, sondern auch der Hoffnung. Der Euro-Maidan jährt sich zum zehnten Mal. Die tapferen Menschen in der Ukraine haben vor zehn Jahren deutlich gemacht, dass deren Zukunft in der EU liegt. Das hat viel Mut erfordert, vor dem ich mich verneige. Es ist das Ziel meiner Partei und der gesamten Regierung, dass die Ukraine diesen Weg geht, bis zum erfolgreichen Abschluss. Egal, wie lange es dauert – die Ukraine kämpft um unser aller Freiheit, dort opfern Menschen täglich ihr Leben für ihre, aber eben für unser aller Freiheit. Durch den Terror der Hamas hat sich der Fokus der Weltöffentlichkeit nun verändert. Aber die Ukraine wird nicht vergessen, dafür stehen wir, die Ukraine kann sich auf Deutschland und auf Baden-Württemberg verlassen, auch dafür stehen wir und ich ganz persönlich!
Wir stehen zusammen, und zusammen sind wir stark!